6. März 2025
Vor dem Gericht
Vor dem Gericht hatten sich zwischen 50-100 teils uniformierte Neonazis versammelt und es wurde aus allen Ecken aggressiv gefilmt. Die angespannte Stimmung verstärkte sich als solidarische Menschen beim Eintreten aus nächster Nähe abgefilmt, beschimpft und sogar bespuckt wurden. Die Ausweis Kontrolle erfolgte diesmal etwas strikter als beim letzten Mal, jedoch nicht allzu konsequent. Dafür drei Mal vor betreten des Saales.
Eindrücke aus dem Gerichtssaal
Der Raum wirkte altmodisch, mit bedrückenden Gemälden an den Wänden, die unter anderem die Hexenverfolgung darstellten. Anwesend war eine Breite Unterstützer*Innenschaft aus Deutschland, Österreich und sogar aus Griechenland. Außerdem war ein Teil der Familie anwesend sowie Majas Deutscher Anwalt. Ein zwielichtiger Mann in Lederjacke filmte kurzzeitig, später stellte sich heraus, dass es sich um einen verdeckten Ermittler handelte. Eine junge Journalistin, welche unabhängig über den Prozess berichtet war ebenfalls anwesend und dokumentierte die Verhandlung mit Bild und Tonaufnahmen. Neben ihr waren auch weitere Presse-Vertreter anwesend, welche sich später dem rechten Spektrum zuordnen ließen. Die Verhandlung wurde wie schon beim letzten Mal von Richter Dr. Jozsef Sas geführt. Die Seite der Anklage bildeten zwei Staatsanwältinnen. Maja wird vertreten durch Dr. Tamas Bajakey, neben ihm war auch der Ungarische Anwalt von Anna Teil der Verteidigung. Außer Maja nahmen keine weiteren Beschuldigten an dem Verfahren teil.
Die Verhandlung
Um 9:00 Uhr wurde die Verhandlung pünktlich eröffnet. Die Leiterin der Strafkammer eröffnete mit einer strengen Ansprache. Sie betonte, dass Sonnenbrillen, Schals und Mützen abzunehmen seien, um die „Würde des Gerichts“ zu wahren. Offiziell seien keine Kameraaufnahmen vonseiten des Gerichts vorgesehen. Jeglicher Ausdruck von Sympathie oder Missbilligung, wie Applaus oder Zwischenrufe wurden strikt untersagt, bei Verstoß drohte der Ausschluss aller Zuschauenden außer der Presse. Kurz darauf betraten etwa 25 Neonazis, uniformiert in Bomberjacken mit der Aufschrift „Betyarsereg“ (ungarische Neonazi-Gruppe) den Saal und setzten sich auf die andere Seite der Zuschauerbank.
Die Regeln der Gerichtsverhandlung wurden verlesen, darunter das Verbot von Bild- und Tonaufnahmen durch die Öffentlichkeit sowie ein Verbot des Livestreamings für die Presse. Anschließend wurde festgestellt, dass die Anklageschriften und Beweismittel für die Verteidigung nicht vollständig vorlagen, ein Umstand, den sowohl Majas als auch Annas Anwalt kritisierten.
Nach einer angespannten Wartezeit wurde Maja um 9:20 Uhr in den Saal geführt. Maja trug erneut Fesseln an Händen und Füßen sowie eine Leine und wurde von zwei schwer bewaffneten, vermummten Polizisten begleitet. Die Verfahren von Ilaria, Anna und Maja wurden zusammengelegt, was zu Unstimmigkeiten zwischen dem Richter und der Verteidigung führte. Majas Anwalt machte darauf aufmerksam, dass nicht alle relevanten Dokumente ins Deutsche übersetzt worden seien, was eine angemessene Vorbereitung unmöglich machte. Der Richter entgegnete das die Verteidigung alle nötigen Unterlagen für den heutigen Tage erhalten habe, außerdem wird der Zeuge Zoltan Toth am heutigen Prozesstag nicht angehört da er schon bei einem Prozesstag von Ilaria angehört wurde.
Um 9:30 Uhr verließen die Neonazis geschlossen den Saal, nur der bekannte Rechtsterrorist György Budahazy blieb zurück. Budahazy ist der Neonazi, der 2023 von der ungarischen Regierung begnadigt wurde, zuvor aber wegen verschiedenster Delikte für 17 Jahre Haft verurteilt war.
Der Anwalt von Anna wies darauf hin, dass es erhebliche Abweichungen zwischen der Anklageschrift und dem medizinischen Gutachten der Betroffenen gebe, er bittet um Richtigstellung. Majas Anwalt erhob zudem Beschwerde über die Haftbedingungen. Maja müsse sich regelmäßig nackt ausziehen und innerhalb der Haftanstalt ständig Handschellen tragen. Der Richter verteidigte diese Maßnahmen als angebliche Schutzmaßnahmen für Maja, was jedoch in völligem Widerspruch zu den täglichen Schikanen steht, welche Maja in Haft erlebt.
Der Richter verkündet die Zeugen, welche heute anwesend sein werden. Der Nazi Laszlo Dudog, seine Freundin Orsolya Fabian und eine Kellnerin vom „Cafe Anna“ Bernadett Marosi. Außerdem äußert er sich zum nicht übersetzten der Zeugenaussagen und behauptet Maja habe diese erhalten und das Gericht habe darüber informiert welche Zeugen heute sprechen. Somit sieht er keine Verletzung von Majas Rechten. Er kündigt an, dass bis Ende März neue Übersetzung angefertigt werden.
Als Maja um 9:40 Uhr angehört wurde, verweigerte Maja die Aussage und verwies auf unzureichende Vorbereitung. Maja verlas eine Prozesserklärung, in der Maja die entwürdigenden Zustände im Gefängnis schilderte und betonte, dass Maja sich unter diesen Umständen nicht fähig fühlt, am Verfahren teilzunehmen. Darauf erwidert der Richter das Maja alle Unterlagen erhalten habe jedoch nicht dafür unterzeichnet habe, außerdem sagt er das sie sich in diesem Fall auf die Aussagen von Majas erster polizeilicher Anhörung beziehen werden. Keine Anmerkungen von Maja.
Zeugenaussagen
9:50 Uhr wurde Laszlo Dudog als erster Zeuge befragt. Er gab an, sich nicht an Maja erinnern zu können und keinerlei Verbindung zu Maja zu haben. In seiner Schilderung erklärte er, dass er an jenem Abend angetrunken auf dem Heimweg, von einem ominösem Lokal, über welches er nichts sagen wollte, gewesen sei und an einer Häuserecke Halt machte. Danach hat er eine Gedächtnislücke und kann sich an nichts erinnern. Er wachte erst wieder auf, als Polizei und Rettungskräfte bereits vor Ort waren. Zur Nachfrage seiner Kleidung beschreibt er eine schwarze M65 Jacke getragen zu haben sowie eine schwarze Mütze und schwarze Springerstiefel aber alles ohne Symbole oder Aufschrift jeglicher Art.
Sein medizinisches Gutachten bestätigte schwere Gesichtsverletzungen, darunter Mehrfachbrüche und eine anhaltende Taubheit auf einer Gesichtshälfte. Das linke Auge war stark geschwollen und das Sehen nach einigen Tagen wieder möglich. Die Verletzung am Kopf wurde genäht, die Nahrungsaufnahme war kurzzeitig sehr schwierig. Allerdings konnte nicht eindeutig festgestellt werden, ob manche der Verletzungen durch einen Sturz oder durch einen Schlag mit einem flachen Gegenstand oder einer Faust verursacht worden waren. Die Folgen im Alltag sind die Taubheit in der Gesichtshälfte. Laut Gutachten sind alle Verletzungen nach 6-8 Wochen abgeheilt. Keine der Verletzungen ist als lebensgefährlich einzustufen. Anschließend werden Fotos der Verletzungen gezeigt. Der Richter urteilt das die Verletzung zwar schwerwiegend waren und in gefährlichen Regionen doch da die Schläge nicht stark genug waren, schwebte Dudog zu keinem Zeitpunkt in Lebensgefahr. Laut Gutachten wäre ein Teleskopstock in der Lage gewesen schwerere Verletzungen hervorzurufen doch dies konnte im Gutachten nicht nachgewiesen werden. Außerdem gab es keinen Nachweis zur Verwendung eines Sprays oder ähnlichen Substanzen. Der Richter fragt von wem er die 25.000€ Schadensersatz fordert. Dudog antwortet „von denen die es mir angetan haben“.
Nun fragt die Staatsanwaltschaft noch nach ein paar konkreten Details. Wo genau er herkam, ob er wirklich keine sichtbaren Symbole trug und wie seine psychische Verfassung aktuell ist. Er weicht der Frage aus, wo er herkam und gibt zu, einen Totenkopf auf der Mütze getragen zu haben jedoch sei es eine Mütze des örtlichen Fußballclubs gewesen. Zu seiner psychischen Verfassung beklagt er sich vor allem über die körperlichen Schmerzen. Die letzte Frage, ob sie bemerkt hatten beobachtet zu werden, verneint er.
10:20 Uhr wurde die Zeugin Orsolya Fabian angehört, die ebenfalls keinerlei Verbindung zu Maja hat und Maja auch nicht wiedererkannt hat. Sie behauptet, von hinten angegriffen worden zu sein und habe während des Übergriffs das Bewusstsein verloren. Sie habe noch kurz gemerkt, wie sie mit unbekannten Waffen geschlagen und getreten wurde. Später will sie mit einer unbekannten Flüssigkeit übergossen worden sein und währenddessen sie erwachte. Im medizinischen Gutachten fanden sich jedoch keine Spuren von Flüssigkeit oder Spray, ebenso wenig Hinweise auf lebensgefährliche Verletzungen. Als sie erwachte kamen zwei Zeugen aus dem Café zur Hilfe, auch berichtet sie von einer ominösen Frau mit Hund welche angeblich den gesamten Tatverlauf gesehen haben soll jedoch keine Aussage bei der Polizei machte und auch nicht als Zeugin aufgeführt ist. Fabian behauptet diese Frau hätte 8 Personen gesehen, eine von diesen hätte einen Kanister Flüssigkeit gehabt. Die zwei anderen Zeugen haben Aussagen gegenüber der Polizei getätigt. Zuhause habe sie noch eine Stichwunde am Oberschenkel festgestellt welche ebenfalls nicht im medizinischen Gutachten zu finden ist. Zur Nachfrage beschreibt sie ihre Kleidung. Grüne Stiefel, Jeans, Jacke und die Mütze des Fußballvereins welche wohl die Schläge auf dem Kopf gedämpft hätte.
Der Richter fragt nun ob sie Feinde hätte oder verfolgt worden seien. Sie verneint beides aber behauptet zwei Verdächtige Personen im Bus gesehen zu haben. Eine der beiden soll eine Jacke des Nahverkehrs getragen haben.Es wurden Fotos der Verletzungen gezeigt und anschließend das Gutachten verlesen: Mittelschwere Verletzungen mit einem flachen Gegenstand oder Faustschlag. 6 Tage Heilungsprozess und keine lebensgefährlichen Verletzungen. Kein Nachweis über eine Flüssigkeit oder ein Spray. Keine Verletzungen am Hinterkopf. Splitterbrüche mittelschwerer Art. Kein Nachweis über die vermeintliche Stichwunde.
Nun stellt die Staatsanwaltschaft Detailfragen, ob sie Symbole getragen hat, ob sie sich den Angriff erklären kann und ob ihnen im besagten Lokal etwas aufgefallen sei. Sie verneint alles. Es folgt die Frage wie sie zu Boden gekommen ist. Daraufhin behauptet sie von hinten geschlagen worden zu sein und sie konnte nicht sehen, wie viele Angreifer es waren. Weiterhin redet sie von einer Flüssigkeit und das kein Spray benutzt wurde. Diese wagen Aussagen schließt sie ab mit dem Satz die Täter würden hier im Gerichtssaal sitzen. Darauf erwidert der Richter das wir das nicht mit Sicherheit sagen können. Die Staatsanwaltschaft fragt nun weiter, wie lange es bräuchte in ihr altes Leben zu finden. Sie antwortet dramatisch, dass es das nicht mehr geben würde.
Nun wendet Majas Anwalt ein das es diverse Abweichungen zwischen der heutigen Aussage und ihrer ersten Aussage gibt. Woraufhin der Richter die Erstaussage verliest. Es treten tatsächlich Unregelmäßigkeiten auf, wie die Behauptung das Waffen benutzt worden sie aber keine sehen, nur spüren, konnte. Also stellt der Anwalt nun weitere Nachfragen. Wie viele Angreifer es waren, ob sie eine Tatwaffe gesehen hat, ob sie sich an Schläge auf den Kopf erinnern kann. Zu keiner der Fragen kann sie eine konkrete Aussage machen und verliert sich in Rechtfertigungen. Also bemerkt der Anwalt nochmal das ihre ursprüngliche Aussage war, nur mit der Faust geschlagen worden zu sein. Sie bejaht dies.Um 11:15 wurde eine 20-minütige Pause angeordnet. In der Pause war es möglich Maja auf dem Gang zu sehen und Solidarität zu bekunden, jedoch eingeschränkter als beim ersten Prozesstag.Nach der Pause wurde um 11:40 Uhr die dritte Zeugin, Bernadett Marosi, befragt. Sie arbeitete als Kellnerin in dem Café Anna, vor dem der Vorfall stattfand. Marosi behauptete, Maja an der Körpergröße und dem Zopf wieder zu erkennen.
Sie berichtet von mehreren Vermummten welche auf die drei Geschädigten losgegangen sein sollen, sie hatten lange schwarze Gegenstände in der Hand und das ganze dauerte ca. 2 min. Auf den Mann soll eingetreten und geschlagen worden sein, danach seien alle in verschiedene Richtungen geflohen. Ihr zog der Geruch von Pfefferspray in die Nase und Augen, sie leistete erste Hilfe und rief Polizei und Krankenwagen.Nach dieser Aussage verlas der Richter ihre erste Aussage nach dem Vorfall erneut.In dieser Aussage beschreibt sie nicht genau gesehen zu haben wer wen geschlagen haben soll. Alle Täter trugen FFP2 Masken und hatten lange schwarze Gegenstände in der Hand und waren schwarz gekleidet. Das Geschlecht der Personen konnte sie nicht erkennen. Sie sei etwas zurückgewichen in Richtung des Cafés und kann sich nicht an alles erinnern da sie unter Schock stand. In ihrer Aussage beschreibt sie weniger Täter als auf den Kameraaufnahmen zu sehen sind.Daraufhin sucht der Richter die Fotos raus, sie sind von schlechter Qualität und keine der Personen ist aufgrund von Vermummung zu erkennen.Trotzdem behauptet sie 4 davon erkannt haben zu wollen.
Die Staatsanwaltschaft fragt nun nach genaueren Details. Wie weit sie entfernt war und ob sie etwas wie Kommandos oder Parolen vernommen hätte.Sie antwortet das sie 3-4 Meter entfernt war und nichts dergleichen vernommen hat, alles passierte lautlos und angeblich über Blicke. Die Staatsanwaltschaft fragt nun warum der Angriff aufgehört hat, wie lange er dauerte und ob es einen Streit gab. Ihre Vermutung ist die Täter hätten Angst vor der Polizei gehabt und das alles ca. 2 Minuten andauerte. Einen Streit oder ähnliches gab es nicht.Nun fragt die Staatsanwaltschaft wie die Zeugin Maja erkennen könne, wenn doch alle eine Maske und Kopfbedeckung trugen. Die Zeugin weiß es nicht genau aber beharrt weiterhin darauf, die Augen erkennen zu können. Nun schaltet sich Majas Anwalt ein und fragt ob sie genau sehen konnte wer was gemacht hat. Sie verneint aber betont das alle etwas gemacht hätten. Daraufhin fragt der Anwalt ob sie mit Gewissheit sagen könne, dass Maja zugeschlagen hat. Auch dies muss sie verneinen, ist sich aber sicher alle hätten etwas gemacht.
Um 12:06 Uhr verlässt die Zeugin den Saal. Der Richter verkündet noch, dass es zur Immunität von Ilaria Salis noch keinen Nachweis aus dem EU-Parlament gebe.
Abschluss der Verhandlung
Um 12:10 Uhr wurde die Sitzung geschlossen. Maja wurde unter Applaus und „Free Maja“-Rufen aus dem Saal abgeführt. Die Familie durfte Maja kurz sehen für jeweils 2 Minuten.
Die nächsten Verhandlungstermine sind für den 4., 6., 12., 18. und 20. Juni angesetzt.