Nachdem der Generalbundesanwalt, wie vor einigen Wochen der Presse zu entnehmen war, das Verfahren in Deutschland gegen die wegen der Auseinandersetzungen in Budapest beschuldigten Antifaschist:innen übernommen hatte, hat die Stimmungsmache und Verfolgung gegen die Betroffenen nun ein neues Ausmaß angenommen. Der Generalbundesanwalt teilte der für Majas Auslieferungsverfahren zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Berlin mit, dass das Verfahren in Ungarn gegenüber dem deutschen Ermittlungsverfahren Vorrang habe und Maja nach Auffassung der Ermittler aus Karlsruhe entsprechend ausgeliefert werden könne.
Damit unterstützt die Bundesanwaltschaft entgegen aller öffentlichen Proteste und Bedenken die Auslieferung einer non-binären Person in ein queer- und homofeindliches Land, dem durch EU-Institutionen und -Vertreter:innen jegliche Rechtsstaatlichkeit abgesprochen wird, das ununterbrochen in massiver Kritik wegen der menschenrechtswidrigen Behandlung der Gefangenen steht und das seit Jahren von einem Justiz- und Korruptionsskandal in den nächsten taumelt. Diese Positionierung seitens des Generalbundesanwalts macht sprachlos.
Währenddessen hat das Kammergericht Berlin in der Zwischenzeit gegen Maja den Beschluss über die Auslieferungshaft gefällt. Damit ist die Entscheidung über die tatsächliche Auslieferung zwar noch nicht getroffen, jedoch ist die Grundlage dafür geschaffen. Maja befindet sich nun also offiziell in Auslieferungshaft und in den kommenden Wochen ist auch in Hinblick auf seine Auslieferung mit einer Entscheidung zu rechnen.
Doch damit nicht genug: Zusätzlich zu dieser mehr als fragwürdigen Stellungnahme hat sich die Bundesanwaltschaft offenbar nun entschieden, zwei der vorgeworfenen Auseinandersetzungen rund um den „Tag der Ehre“ 2023 in Budapest als „versuchten Mord“ zu klassifizieren. Dies entbehrt nicht nur jeglichen Bezugs zur Realität, sondern ist eine eindeutig politisch motivierte Eskalation des Verfahrens, die dazu dienen soll, den Druck auf die Betroffenen zu erhöhen, sie in der Öffentlichkeit zu diskreditieren und die in den letzten Monaten deutlich wahrnehmbare Solidarität zu schwächen.
Unabhängig davon, ob die Beschuldigten daran beteiligt waren oder nicht, ist es wirklich vollkommen abwegig, eine Tötungsabsicht oder gar „niedrige Beweggründe“ als Mordmerkmal zu konstruieren, wenn sich einer staatlich finanzierten öffentlichen Glorifizierung der SS entgegengestellt wird. Dennoch schraubt die Bundesanwaltschaft nun an der verbalen und juristischen Eskalationsspirale. Dass dahinter eine politische Strategie steht, die Betroffenen zu isolieren und weiter unter Druck zu setzen, liegt nahe. Es geht dem Generalbundesanwalt offensichtlich darum, das Niveau der Repression gegen die antifaschistische Bewegung und konkret gegen die Betroffenen auf ein neues Level zu heben und sie für eine lange Zeit hinter Gitter zu bringen – ob in Deutschland oder in Ungarn.
Auch wenn der Bundesgerichtshof die Auffassung der Bundesanwaltschaft zurückgewiesen und bei Majas Haftprüfung die Klassifizierung der Auseinandersetzungen in Budapest als „versuchten Mord“ abgewehrt hat, müssen wir mit weiteren derartigen Eskalationsversuchen seitens der Bundesanwaltschaft rechnen. Die Strategie dahinter bleibt dieselbe wie schon seit 2020: Die Inszenierung von Antifaschismus als Terrorismus, die Dämonisierung der Beschuldigten und die klare Botschaft: Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen mir aller Härte gegen antifaschistisches Engagement vor, das das bürgerliche Gewaltmonopol infrage stellt.
Die noch im letzten Jahr immer wieder geäußerten angeblichen Sorgen, die gesuchten Antifaschist:innen könnten sich „im Untergrund radikalisieren“ und die wiederholten Appelle an diese, sich doch zu stellen, wurden damit vollständig ad absurdum geführt. Nachdem die Eltern und Anwält:innen einiger Betroffener in den letzten Monaten wiederholt auch gegenüber der Presse betont hatten, dass diese bereit wären sich einem rechtsstaatlichen Verfahren in Deutschland zu stellen, solange einer Auslieferung eine Absage erteilt würde, hat sich die Bundesanwaltschaft offenbar entschieden, die politische Eskalation zu suchen. Ob es ihr darum geht, nach zahlreichen Verfahren gegen rechts, vor dem Hintergrund einer autoritärer werdenden gesellschaftlichen Stimmung weitere Härte gegen links zu zeigen, ob die Behörde schon mit einem Bein im Wahlkampf gegen die AfD steht und versucht sich gegen Kritik zu immunisieren, sie würde nicht hart genug gegen die „Hammerbande“ oder „Linksextreme“ vorgehen, oder ob dahinter der bloße Wille steckt, die Betroffenen und ihre Umfelder politisch und psychisch zu brechen, darüber kann nur spekuliert werden.
Für uns als Solidaritätsbündnis steht jedoch fest: Wir dürfen das nicht schweigend hinnehmen! Wir dürfen uns in dieser schwierigen Situation nicht einschüchtern oder spalten lassen! Nun gilt es umso mehr, den betroffenen Antifaschist:innen und ihren Umfeldern unsere Solidarität zu zeigen und auch über die linke Szene hinaus Aufmerksamkeit für den Fall zu schaffen. Die Auslieferungen von Maja, Gabriele und allen anderen Antifaschist:innen müssen unbedingt verhindert werden. Antifaschismus ist nicht heimtückisch und schon gar kein niedriger Beweggrund, sondern legitime Verteidigung gegen das Wiedererstarken des Faschismus!
Solidarität mit den betroffenen Antifaschist:innen, ob hinter Gittern oder anderswo!
Keine Auslieferung nach Ungarn!