Ich möchte ehrlich mit euch sein, ich schwanke zwischen Hoffnungslosigkeit und extremer Heiterkeit, zwischen
Trauer und Wut, gefesselt von Ängsten, Zweifeln und Sehnsüchten. Ich schaukle hoch, falle tief, bin euphorisch und
dann wieder nahe der Verzweiflung, großspurige Gedanken folgen auf kleinbeigebende Akzeptanz.
Diese Akzeptanz, verbunden mit Ohnmacht hat sich in den letzten Monaten immer weiter in mich hinein gefressen,
erst Knast in Deutschland, die strukturvolle Diskriminierung um mich herum, die stetige Repression, die
Lebensgeschichten, die daran erbarmungslos zugrunde gehen, denn die wenigsten Gefangenen haben ein soziales
Netzwerk, das stark genug ist, alles aufzufangen. Umso wichtiger ist es, den Knast als einen Ort des Miteinanders zu
verstehen, doch auch das hat man mir genommen.
Dann kam der nächtliche Helikopterflug und ein erster Tag im Unbekannten, anfangs war ich geschockt, entsetzt
über die hier herrschende Brutalität und Trostlosigkeit, jetzt bin ich es nur noch selten, die Kraft dazu fehlt.
Die Isolation, fast 24 Stunden alleine, eine Kamera, die jede meiner Bewegungen erfasst. Täglich in Fesseln gelegt
und von Kopf bis Fuß durchsucht zu werden, Beamte, die uns bloß verwalten, der fehlende Kontakt zu Menschen, die
Liste ist lang … Es ist ein Gift, das sich langsam im Körper ausbreitet, es lähmt, erzählt, es gäbe keine Alternative dazu
es hinzunehmen, dazu diese entmenschlichende Prozedur von Repression und Knast mitzumachen. Es sät Zweifel,
Zweifel, die in mir fast schon so groß geworden sind, dass ich diese Zeilen nicht beginnen wollte.
Ich redete mir ein, es hätte keinen Nutzen, ich nicht die Kraft, das Richtige zu sagen, um etwas zu erreichen, von dem
mir oft eine konkrete Vorstellung fehlt. Hoffnung bringt Zuversicht? Oder schlicht Mitgefühl und Solidarität? Möchte
nicht predigen, nicht betteln und besonders mich selbst nicht im Leid suhlen. Möchte trotzdem etwas sagen, nur zu
schweigen, dafür ist gerade nicht die richtige Zeit. Ja aufrichtig „Danke“ möchte ich sagen, Worte dafür finden, wie
ihr es schafft, dass ich nicht verzage.
Auch das will ich loswerden, ich werde kritisch und wachsam bleiben, solidarisch und immer mit einem Herzen voller
Zuversicht, trotz der Dunkelheit. Von dieser muss ich euch ja nicht erzählen, 3 Wochen sind erst vergangen seit der
Landtagswahl, 3 Wochen seit Solingen, Wochen der Trauer und Wut und der immer wiederkehrenden Ohnmacht,
denn wir alle machen diesen Scheiß schon lange genug mit, müssen erleben, wie unsagbares sagbar wird, auf Worte
Taten folgen, gewaltvoll und ausgrenzend, wie eine Politik aus Angst vor einer freien Gesellschaft ihren Feinden den
roten Teppich ausrollt.
Das schleichende Gift, die Akzeptanz. Es ist wohl das, was mich zu dieser Rede verleitet, der Stolz, die Bewunderung
von eben jenen Menschen, die das nicht zulassen, stattdessen widersprechen und einem jeden Tag eine queere,
inklusive, antifaschistische, feministische, kritische, antirassischtische, offene und solidarische Gesellschaft sichtbar
macht. Ihr seid das, ihr, die ihr hier steht, die ihr handelt, im Großen und im Kleinen. Wenn der Himmel sich dunkel
zuzieht schaut einander an, wie könnte Mensch hier keinen Halt finden?
Ich möchte euch dazu ermutigen, zu sagen und zu zeigen, wie viel Kraft in euch wohnt und wie viel ihr jeden Tag
erreicht, ob im Großen oder im Kleinen. Dem Gift in der Gesellschaft von autoritären Repressionen bis hin zu
wahnwitzigem Populismus trotzend, schließt ihr euch zusammen, bleibt standhaft und tut mehr als leere Worthülsen
in die Welt hinaus zu schreien. Eure Solidarität kommt an, seid euch das gewiss, ermutigt euch weiter zu kämpfen,
ihr schafft es zu verändern.
Ja, meine Auslieferung konnte nicht verhindert werden, obwohl die Behörden bestens wissen wie inhuman die
Zustände hier sind, wie weit Ungarn die Rechtsstaatlichkeit bereits abhanden gekommen ist und wie wenig EU-
Richtlinien hier wert sind. Es war blindes Kalkül, blind nur für die Opfer die es bringt, sie wollten brechen und
Menschen zur Erschöpfung bringen, rechtsstaatliche Prozesse sind LKA und ihren Staatsanwält*innen schon lange
ein Dorn im Auge. Wie viele Menschen das nicht hinnehmen wollen gibt mir Hoffnung und die braucht es, genauso
wie Zuversicht und Mut, es ist an uns allen, dass sich so eine Auslieferung nicht wiederholt, es braucht unser aller
wachen Augen, damit das, was für uns allzu oft als selbstverständlich erscheint, nicht erlischt.
Es ist deprimierend, immer nur zu erhalten, jenes was mühselig erkämpft wurde, das was mal demokratischer
Konsens war gegen die Schaufelbagger der Reaktionäre zu verteidigen, es entmutigt und lässt mich oft mit einem
entsetzten Kopfschütteln zurück. Wenn ich höre, wie Menschen Thüringen den Rücken zukehren und überlegen zugehen, dann will ich verzweifeln und fragen: „Warum bloß schon jetzt?!“ Nur kann ich es auch schwer verübeln,
besonders jenen nicht, die täglich Hass und Hetze ausgesetzt sind oder jenen dort wo der ganz praktische Rückhalt
fehlt. Was mir die letzten Monate im Knast gezeigt haben: es ist auch ein Überleben im falschen möglich, ja sogar
notwendig, um sich des inneren Bedürfnisses nach Veränderung und Gerechtigkeit bewusst zu werden. Es ist
wahrlich ein schmaler Grat zwischen sich alles Schön reden und mutloser Akzeptanz. Oft erschien mir der Weg
dazwischen voller Nebel, nicht passierbar zu sein, es trotzdem zu wagen ist das, was Stärke ausmacht.
Und damit will ich wieder dahin zurückkommen, wieso ich mich für diese Zeilen entschieden habe, vielleicht klingt es
pathetisch, jedoch ist es für mich immer die Quelle der Kraft gewesen, diese schweren Schritte zu gehen, ohne
fürchten zu müssen, alleine zu sein. Dies hat mich selbst immer ermahnen lassen, ja nie einen empathielosen,
lieblosen Weg, dessen Boden von Verachtung trieft, einzuschlagen. Ihr wart es, die mir die letzten Monate Furcht
genommen habt und mich still dazu ermahnt habt, nicht zu akzeptieren egal wie hoffnungslos so mancher Tag
erscheint. Lasst uns nicht aufhören, jenen zu widersprechen, die uns so erbittert bekämpfen, die uns versuchen
bloßzustellen, zu verunglimpfen und uns nachts entführen. Sie wissen darum, dass sie Unrecht tun, deswegen ihre
Härte, ein Symptom der Angst. Wollen wir stattdessen Stärke beweisen mit Freundschaft, Rückhalt und Frohmut,
immer mit einer offenen Tür für jene, die es wagen, das eigene Selbst kritisch zu hinterfragen.
Ich verbleibe in solidarischen Gedanken, Maja