„Ich habe Ungarn von seiner schlimmsten Seite kennengelernt: dem Gefängnis. Ich saß 15 Monate in Untersuchungshaft. Ich habe die Haftbedingungen, die die Grundrechte und europäischen Standards missachten, bereits ausführlich angeprangert, und ich befand mich in einem politischen Prozess, dessen Urteil bereits geschrieben wurde, nicht von den Richtern, sondern von zahlreichen Vertretern der ungarischen Regierung. Darunter nicht zuletzt Präsident Orban, der mich kürzlich bei einem Besuch in Italien öffentlich als Verbrecherin bezeichnete, obwohl ich mich immer für unschuldig erklärt habe und kein Urteil gegen mich vorliegt. Dank der Solidarität Zehntausender antifaschistischer Bürgerinnen und Bürger bin ich heute als freie Frau unter Ihnen.
Die Geschichte des Prozesses gegen die Antifaschisten ist jedoch noch nicht zu Ende. Den höchsten Preis zahlt heute Maja T., eine deutsche und nicht-binäre Person. Maja, ebenfalls wegen ähnlicher Vorwürfe in Untersuchungshaft, wurde im Juni von Deutschland an Ungarn ausgeliefert.
Der Polizeieinsatz, mit dem Maja ausgeliefert wurde, fand nachts statt, ohne das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, und mit äußerst harten Methoden: an Händen und Füßen gefesselt, mit einem Sack auf dem Kopf und ohne Möglichkeit zu trinken. Maja wurde per Hubschrauber nach Österreich transportiert und anschließend mit einem Transporter nach Ungarn überführt. Eine Stunde nach der Übergabe verbot das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung vorläufig, bis zur Entscheidung über den Fall. Aber Maja war zu diesem Zeitpunkt bereits in Budapest
Die Haftbedingungen für Maja T. sind äußerst hart: Maja befindet sich seit mehr als drei Monaten in völliger Isolation und verbringt 23 Stunden am Tag eingesperrt in einer Zelle, die ständig von Videokameras überwacht wird. Maja darf täglich nur eine Stunde an der frischen Luft sein, alleine, und ist bei allen Transfers und Zellenkontrollen mit Handschellen gefesselt. Täglich muss Maja sich einer Personendurchsuchung unterziehen, bei der Maja sich vollständig entkleiden muss. Ein Termin für den Prozess steht noch nicht fest.
Ich möchte an die transfeministische und queere Bewegung sowie an Antifaschist*innen appellieren, die Aufmerksamkeit auf den Fall Maja T. zu richten und alles zu tun, um konkrete Solidarität mit der Inhaftierten mit nicht-binärer Geschlechtsidentität auszudrücken in einem Land, in dem der Geschlechtestransition illegal ist und die Rechte der LGBTQI+ Gemeinschaft systematisch verletzt werden.
Ich finde es sehr ernst und besorgniserregend, dass ein Land wie Deutschland, das seit jeher auf Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Grundrechte achtet, beschlossen hat, mit Orbans Ungarn zusammenzuarbeiten, und zwar in einer Angelegenheit dieser Art, in der all dies offensichtlich nicht respektiert wird. Ich glaube, wie mein Kollege Martin Schirdewan, dass innerhalb der Europäischen Union alle Auslieferungen an Ungarn gestoppt werden sollten.“