Prozessbericht 21.02.2025 – Vorverhandlung von Maja

Solidaritätskundgebung vor dem Gericht

Der Tag begann um 7:30 mit einer Kundgebung vor dem Budapester Landgericht, an der 40-50 solidarische Personen teilnahmen. Es wurden einige Redebeiträge abgespielt und dazwischen immer wieder Sprechchöre angestimmt und Lieder gesungen. Begleitet wurde die Kundgebung von einem hohen Presseaufgebot und auch die ungarischen Cops fertigten die ein oder andere Aufnahme an. 

Eindrücke im Gericht

Recht schnell bildete sich eine Schlange vor dem Einlass und Besucher*innen sowie Presse konnten unter eher geringen Sicherheitskontrollen das Gerichtsgebäude betreten. Vor dem Saal wurden die Namen der Anwesenden abgeglichen mit einer Liste der Personen, die sich im Vorhinein registriert haben, um teilnehmen zu können. Bei Abweichungen von der Liste wurden die Namen ebenfalls notiert. Die Vorverhandlung fand in dem selben Saal statt, in dem auch schon Ilarias Prozess stattfand, einem älteren Gerichtssaal, der knapp 100 Plätze umfasst. Unter den Zuschauenden befanden sich überwiegend Familie, Freund*innen und weitere solidarische Prozessbeobachter*innen. Auch anwesend waren Majas deutsche Verteidiger und die Linken Abgeordneten Martin Schirdewan (Fraktionsvorsitzender the left im EU-Parlament) und Martina Renner (MdB). Zudem befand sich eine Menge ungarische und deutsche Presse im Saal, die von Anfang bis Ende der Verhandlung Fotos und Videos von den Prozessbeteiligten und dem Publikum machte. An der Verhandlung nahmen außerdem einige Personen teil, die nicht den solidarischen Begleiter*innen zuzurechnen sind und die ab und zu mit der Handykamera Fotos machten. Auch die vermeintlichen Fascho-Opfer Laszlo Dudog und Orsolya Fábián waren anwesend, um ihre zivilrechtlichen Forderungen zu stellen. Die Verhandlung wird von dem Richter Dr. Jozsef Sas geführt, die Seite der Anklage besteht aus zwei Staatsanwältinnen.

Beginn der Verhandlung

Die Verhandlung beginnt pünktlich um 9 Uhr. Maja wird unter lautem und lange anhaltendem Applaus aus dem Publikum in den Saal gebracht. Maja trägt Fußfesseln und Handschellen, an denen eine Leine angebracht ist. Begleitet wird Maja von zwei vermummten und bewaffneten Beamten, zwei weitere stehen um die Anklagebank. 

Auch wenn es schmerzt zu sehen, auf welche erniedrigende Weise Maja in Ketten hereingeführt wird, so steht das laute, herzliche Klatschen der Zuhörenden und vor allem die unglaubliche Kraft und Stärke die Maja ausstrahlt zumindest für den Moment darüber. 

Die vom Gericht beigeordnete Dolmetscherin übersetzt alles abschnittweise ins Deutsche. Nach einer kurzen Unterbrechung, in der Maja und Majas Verteidiger Bajáky sich besprechen, werden immerhin die Handschellen von der Befestigung am Gürtel gelöst, die Leine bleit jedoch über das Handgelenk verbunden. Die zwei Beamten sitzen während der gesamten Verhandlung hinter Maja. 

Dann werden die Presse und das Publikum darüber belehrt, dass Bild und Tonaufnahmen nur mit Erlaubnis gestattet sind. Außerdem wird nochmal darauf hingewiesen, dass die Ordnung stets eingehalten werden muss, Störungen nicht erlaubt sind und die Würde des Gerichts nicht verletzt werden darf. 

Verlesung der Anklageschrift

Die Staatsanwaltschaft beginnt die Kurzform der Anklageschrift zu verlesen. Das Ganze wirkt wie 1 zu 1 von der Soko LinX abgeschrieben. Laut dieser sollen Johann G. und Lina E. an einem unbekannten Ort eine Gruppe bestehend aus jungen Erwachsenen geformt haben, die „mit dem Linksextremismus sympatisieren“. Die Überzeugung und das Ziel der Gruppe sei es gewesen Angriffe gegen Personen aus dem rechtsextremen Spektrum, die eine faschistische Ideologie teilen, durchzuführen. Dafür sollen als rechtsextrem vermutete und nichtsahnende Personen ausgewählt und in einer Überzahl angegriffen worden sein. Die dabei verwendeten Gegenstände sollen dafür geeignet gewesen sein „das Leben auszulöschen, lebensgefährliche Körperverletzungen und seelische Qualen“ zu verursachen. Die Mitglieder hätten sich im Darknet und an öffentlichen Plätzen getroffen, um die Angriffe vorzubereiten und und nicht entdeckt zu werden. Die Angriffe wären dann, wie im vorhinein geplant, konsequent und wie nach einem Drehbuch durchgeführt worden. Dafür soll es eine Aufgabenteilung gegeben haben. Der Organisiertheitsgrad passe sich den jeweiligen Bedingungen und den ausgewählten Personen an. Teile der sich in Deutschland befindenden Mitglieder sollen sich ab 2017 in Leipzig für regelmäßige Kampfsporttrainings getroffen haben, um den genauen Ablauf der Angriffe einzuüben. Zur „Vollstreckung ihrer geteilten Überzeugung“ sollen sich die Mitglieder dann in Budapest getroffen haben. Dabei sollen der Organisation weitere Mitglieder beigetreten sein, darunter auch Maja. Die StA fährt fort mit dem angeblichen Modus Operandi. Die Angriffe sollen in einem festgelegten Zeitraum von 30 Sekunden durchgeführt worden sein. Eine nicht an dem Angriff teilnehmende Person soll eine Signalgabe zu Beginn und Ende der Aktion gegeben haben und eine weitere Person

hätte die Umgebung beobachtet und das Eingreifen von Außenstehenden verhindert. Aufgrund der kuzen Zeitspanne, müsse die Schlagkraft stark gewesen sein, um die Verletzungen zu verursachen. Um eine Identitätsfeststellung zu vereiteln, hätten die Beschuldigten ihre Gesichter unkenntlich gemacht, Handschuhe getragen, weitere Kleidungsstücke mit sich geführt und auf verbale Anweisungen verzichtet. Die angeblichen Mitglieder der Organisation sollen 2022 beschlossen haben ähnliche Angriffe wie zuvor in Deutschland in Budapest durchzuführen. Die vermeintlichen Opfer sollen anhand ihres Erscheinungsbilds (Kleidung, Accessoires) und ihrer Begleitung ausgewählt worden sein, durch die die Beschuldigten sie als rechts ausgemacht hätten. Dabei soll keine feste Zahl zuvor bestimmt worden sein. Die Beschuldigten hätten geplant, die Angriffe im Rahmen des „Tag der Ehre“, als historisches Ereignis, auszuüben. Maja soll zu dem „ideologischen Zweck der Organisierung“ unter einer Leitung nach Ungarn gereist sein. Dort soll der Täterkreis durch Mitglieder aus Mailand ergänzt worden sein.

Dass es sich bei den im folgenden Abschnitt als vermeintliche Opfer dargestellten Personen um offenkundige Neonazis handelt, könnt ihr unserem Blog (https://www.basc.news/die-vermeintlichen-opfer-im-budapest-verfahren/) entnehmen.

Anklagepunkt A

Am 09.02.2023 um 11:20 Uhr sollen Maja und 9 weitere Kompliz*innen die als „Touristen“ aus Polen nach Budapest angereisten Nazis Rafal Robert Baran, Justyna Malgorzata Baran und Bartlomiej Fabian Maksymilian Wilk angegriffen haben. Diese sollen augrund der von ihnen getragenen Accessoires, der rechtsextremen Szene zugeordnet worden sein. Maja und eine weitere Person sollen damit beauftragt worden sein, diese zuvor auszuspähen und ihnen von ihrer Unterkunft aus zu folgen. Die anderen Mitglieder sollen ihnen aus unterschiedlichen Richtungen gefolgt und dann telefonisch benachrichtigt worden sein. Zum Schluss hätten sich die beidenihnen angeschlossen. Als die angeblichen Opfer an einem Straßenabschnitt stehen blieben, sollen sie, mit Ausnahme der beobachtenden Person, auf ein Leitwort hin umkreist und mit Teleskopschlagstöcken angegriffen worden sein. Darunter sollen auch mittelschwere Schläge im Kopf- und Nackenbereich gewesen sein. Einer der Nazis soll sich mit Reizgas gewehrt haben, woraufhin der Angriff abgebrochen wurde. Danach sollen sich die Beschuldigten in kleinere Gruppen aufgeteilt und umgezogen haben und durch Seitenstraßen zurück zum Versammlungsort geflohen sein. 

Die Heilungsdauer soll bei R.R. Baran 6 Wochen, bei J.M. Baran 6-8 Wochen und bei Wilk 8 Tage betragen haben.

Anklagepunkt B

Am darauffolgenden Tag, dem 10.02.2023 um 22:00 Uhr soll sich Maja mit weiteren Beschuldigten (darunter dem vermeintlichen Anführer Johann) zur Durchführung weiterer Angriffe in der Nähe eines rechtsextremen Konzertes getroffen haben. Maja und vier weitere Beschuldigte sollen dort den Nazis Laszlo Dudog und Orsolya Fábián gefolgt sein, die sie aufgrund von einem Kopftuch und weiteren als rechtsextrem vermuteten Symbolen an der Kleidung als Rechtsextreme ausgemacht hätten. Sie sollen ihnen im Bus gefolgt sein, wobei eine Person mit dem Beobachten beauftragt gewesen und ein Signal zum Austieg gegeben haben soll. Um 22:30 Uhr hätten 5 Beschuldigte, darunter Maja, Dudog und Fábián auf dem Bürgersteig angegriffen. Sie sollen sie erst mit Pfefferspray ins Gesicht und dann mit Teleskopschlagstöcken angegriffen haben. Dabei soll Dudog mehrmals und Fábián mindestens einmal ins Gesicht geschlagen worden sein. Nach den 30 Sekunden sollen sie aufgehört haben und anschließend mit einem Taxi zurück zu ihrer Unterkunft geflohen sein. Unter Berücksichtigung der Art und Weise der Krafteinwirkung der Schläge gegen den Kopf bei Dudog, hätten diese auch lebensgefährlich sein können oder die Lähmung der Gesichtshälfte zur Folge haben können.

Die Heildauer soll bei Dudog 6-8 Wochen und bei Fábián 8 Tage betragen haben. Dass in mehreren Fällen eine lebensgefährliche Körperverletzung herbeikonstruiert werden soll, ist insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Heilungsdauer maximal 6-8 Wochen beantragt haben soll einfach lächerlich.

Die Staatsanwaltschaft folgert, dass sowohl im Falle der Anklagepunkt A betreffenden R.R. und J.M. Baran und Wilk sowie den Anklagepunkt B betreffenden Dudog die Gefahr einer bleibenden Schädigug bestanden hätte. Sämtliche der an den Angriffen Beteiligte hätten mit schwerwiegenden Verletzungen rechnen müssen. Dass diese ausblieben, sei dem Zufall zu verdanken.Maja wird für zwei Tatkomplexe als Mittäter*in angeklagt. Maja wird außerdem vorgeworfen Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein mit dem Versuch, „Lebensgefahr verursachende Körperverletzungen“ zu begehen. Diese schweren Körperverletzungen sollen aus niederträchtigen Gründen begangen worden sein. Dies führt die Staatsanwältin in einem Redeschwall aus, dass die Dolmetscherin kaum hinterherkommt. Abschließend hält die StA die Anklage mit unverändertem Inhalt aufrecht. Im Falle der Einräumung der Schuld wird Maja eine 14 Jahre lange Freiheitsstrafe „angeboten“ und Maja darf Ungarn für einen Zeitraum von 10 Jahren nicht betreten. Außerdem soll der zivilrechtliche (finanzielle) Anspruch der Geschädigten bezahlt werden. 

Nach den Ausführungen der StA fragt der Richter in den Saal, ob Vertreter*innen der deutschen Botschaft anwesend sind, woraufhin sich zwei Personen melden. Dann sollen die vermeintlichen Opfer Dudog und Fábián ihre Forderungen zur Höhe der Entschädigungssumme kundtun. Dudog fordert 10 Mio. HUF (ca. 25.000 Euro), O.F. 2 Mio. HUF (ca. 5.000 Euro). Danach müssen beide aufgrund ihres Zeugenstatus den Saal verlassen. Weiter führt der Richter aus, dass der Beschuldigte Gabriele in einem seperaten Verfahren verhandelt wird aufgrund des Wohnortes in Italien, die Anklageschrift wurde ihm auf italienischer Sprache zugesandt. Falls dies notwendig werden sollte, werden die Verfahren zusammengelegt. 

Rechtsverletzungen und Einschränkung der Verteidigungsfähigkeit

Dann ist Majas Verteidiger an der Reihe. Zunächst bezieht er sich auf das Urteil des Deutschen Bundesverfassungsgerichts, welches bestätigt, dass Maja auf rechtswidrige Weise nach Ungarn überstellt wurde. Dadurch sind Majas Rechte in zwei Ländern verletzt worden und Maja steht hier heute rechtswidrig vor Gericht. Er fährt fort mit Bezug auf die ungarische Strafprozessordnung, welche besagt, dass keine Person einen Nachteil erfahren darf, weil sie der ungarischen Sprache nicht mächtig ist. Dennoch hat Maja von dem Aktenmaterial, dass 9000 Seiten umfasst, weniger als 10 % in deutscher Sprache ausgehändigt bekommen. Dies stellt eine bedeutende Einschränkung der Verteidigungsfähigkeit dar. Auch ist Majas Verteidigungsfähigkeit stark eingeschränkt durch die Haft im schwersten Vollzugsprogramm. Beschuldigte sind dazu berechtigt, den Gegenstand der Anklage zu kennen und mit entsprechender Zeit dem Inhalt kundig zu werden. Nach europäischem Recht müssen Beschuldigte alle relevanten Schriftstücke übersetzt ausgehändigt bekommen. Die Einschränkung dieser Verteidigungsmöglichkeiten verstößt gegen das ungarische Gleichheitsprinzip, nach dem die Verteidigung und die Anklage dieselben Möglichkeiten und Berechtigungen haben sollten, sich mit dem Inhalt der Akten vertraut zu machen. Augenscheinlich wird dieses Ungleichgewicht durch die Tatsachen, dass sich die StA die in Deutschland verfassten Ermittlungsergebnisse vollständig hat übersetzen lassen. Majas Verteidiger fordert abschließend also eine Einsicht in die Aktenlage und den Besitz aller relevanten Schriftstücke. Außerdem hat die individuelle Sicherheitsunterbringung von Maja zur Folge, dass der Austausch mit seiner*m Mandant*in erschwert ist. Für diese erhöhten Sicherheitskontrollen wurde ihm bis heute kein Grund mitgeteilt. Bis Ende Januar konnten sich Maja und der Verteidiger nur in einem 2 qm großen Gesprächsraum beraten, der durch eine Glaswand getrennt ist und in dem es nicht möglich war, die Kameraaufnahmen gemeinsam z

u sichten. Das komplette Schriftmaterial ist extern gespeichert und wurde bei der JVA eingereicht, aber erst am gestrigen Tag (20.02.) erhalten. 

Der Richter schmettert darauf hin alle Punkte der Verteidigung ab. Zunächst teilt er mit, dass ihm das Urteil des BverG bekannt ist, die Entscheidung das ungarische Verfahren aber nicht betreffe. Ungarn besitzt den Gerichtsstand in diesem Verfahren mit besonderer Rücksicht auf die Tatsache der Anklageerhebung. Die Entscheidung des BVerG betreffe also nur das deutsche Verfahren und es sind folglich auch keine Bedenken zur Übergabe der*des Beschuldigten bei ihm aufgekommen. Die Entscheidung des BverG betreffe nicht die festzustellende Schuld. In Bezug auf das Aktenmaterial behauptet der Richter, dass Maja die Kameraaufnahmen im Rahmen einer Vernehmung am 13.11.2024 bereits erhalten hätte, sich aber geweigert hat das Protokoll über den Erhalt der Schriftstücke zu unterzeichnen. Die Anklageschrift sowie weitere Schriftstücke, darunter relevante Dokumente aus Ilarias Verfahren, Aussagen der Geschädigten, Zeugenaussagen, medizinische Gutachten und Polizeiberichte, sollen am 14.01. übersetzt zugeschickt und am 30.01. ausgehändigt worden sein. Weitere Übersetzungen würden bearbeitet werden. Demnach sollen also keine Rechte verletzt worden sein und es gebe keine Hindernisse für das Gerichtsverfahren (bzw. ein Eingeständnis der Schuld). Im Zusammenhang mit den individuellen Sicherheitsvorkehrungen lässt der Richter wissen, dass die JVA versichert hat, dass in Zukunft mehr Möglichkeiten gegeben werden das Aktenmaterial zu sichten. Am 24.01. wurden die Sicherheitsvorkehrungen überprüft. Sollte Majas Verhalten weiterhin positiv beurteilt werden, werden die Maßnahmen erneut überprüft. 

Majas Verteidiger wendet ein, dass das Schriftverzeichnis nicht übereinstimmt mit den eigenen Informationen. Maja habe zwar Teilakten in deutsch erhalten, aber andere wesentliche Schriftstücke bis heute nicht, obwohl dies bereits zweimal beantragt wurde. Außerdem hat Ungarn dem deutschen Staat eine schriftliche Erklärung zur Einhaltung der Regelungen bei der Haft-Unterbringung erteilt – bis heute liegt allerdings kein Beschluss mit einer Begründung für die besonders strengen Sicherheitsvorkehrungen vor.

Anschließend wurden Majas Personalien festgestellt, dabei wurde Maja gefragt, ob Maja den Namen offiziell geändert hat. Maja antwortet, dass der Prozess den Namen anzupassen von Majas Verteidiger beantragt wurde. Danach wird Maja über Majas Rechte aufgeklärt.

„Deal“ 

Maja wird nun über den vom ungarischen Gericht vorgebrachten „Deal“ informiert. Sollte Maja ein Schuldeingeständnis machen, würde Maja damit auf eine Verhandlung verzichten und kann die Schuld von da an nicht mehr bestreiten. Es kann nur noch gegen das Strafmaß in Berufung gegangen werden. 

Gegen ein Geständnis bietet die StA 14 Jahre Haft an, ansonsten wird die Verhandlung mit der Beweisführung eröffnet.

Mit den Worten „Nein, ich gestehe meine Schuld nicht ein!“ lehnt Maja den Deal ab und verliest im Anschluss über eine halbe Stunde lang eine kämpferische und liebevolle Prozesserklärung (siehe https://www.basc.news/majas-prozesserklaerung-vorgetragen-am-21-02-2025-in-budapest/). 

„So stehe ich nun hier, bin in Fesseln gelegt und werde angeklagt in einem Land, für das ich als non-binärer Mensch, als Maja, nicht existiere. Es ist ein Staat, der ganz offen Menschen wegen ihrer Sexualität oder ihrem Geschlecht ausgrenzt und separiert, ich bin angeklagt von einem europäischen Staat, weil ich Antifaschist*in bin. Trotz dessen entschied ich mich zu sprechen, denn ich stehe heute hier, weil ich vor acht Monaten mit einem Akt des Rechtsbruches entführt und hierher ausgeliefert wurde – von einem Land, dessen Verfassung versprach meine Würde zu achten und zu schützen“.

Majas starke Worte berühren die solidarischen Zuschauenden sehr und es wird mit großem Applaus auf sie reagiert. Und noch jetzt hallen die warmen Worte von Maja mit Blick auf die friends und Familie „Ich habe euch verdammt lieb“ und die Reaktion eines Zuschauenden in unseren Köpfen nach: „Wir haben dich auch lieb Maja“. 

15min Pause

Während der zweiten Hälfte sind immer wieder laute „Free Maja!“ Rufe von vor dem Gericht deutlich im Gerichtssaal zu hören. Wir danken den Genoss*innen für diesen schönen Moment der Solidarität, der hoffentlich auch Maja Kraft mitgeben konnte.

Nach der viertelstündigen Pause fanden sich alle Beteiligten erneut im Gerichtssaal des Budapester Landesgericht zusammen. Bevor Majas Anwalt seine Anmerkungen zur Anklageschrift kundtun konnte wurden wir als Zuhörende erst einmal vom Richter ermahnt die Sitzung bitte nicht zu stören. 

Majas Verteidiger Bajáky kritisiert anschließend, dass in den ersten vier Seiten der Anklage bisher keine konkreten Beweismittel aufgeführt worden sind, es sind also lediglich Behauptungen. Weiterhin schließt er sich dan Anträgen auf Zeugenvernehmungen und der Einsichtnahme in Videoafunahmen an und beantragt zudem die Anhörung eines Sachverständigen für Medizin in Bezug auf die genannten Verletzungen der geschädigten Nazis. Bisher sei nicht untersucht worden, ob die Kopfverletzungen auch durch das zu-Boden-stürzen passiert sein könnten oder durch andere Mittel wie Faustschläge entstanden sind. 

Zusammenarbeit deutscher und ungarischer Behörden: 

Zum einen bringt Majas Anwalt die Kritik an, dass die deutschen Ermittlungsbehörden die Ermittlungen durchgeführt haben anstelle der ungarischen Behörden, da diese auf Ersuchens von Ungarn umfangreiche, ellenlange Berichte zu Tätigkeiten und Auffälligkeiten der Beschuldigten abgaben. Zum anderen übergaben ungarische Behörden ohne einen vorliegenden Beschluss sämtliches Videomaterial von den Überwachungskameras an deutsche Cops. Er fordert den Ausschluss der Beweismaterialien, die nicht die ungarischen Behörden selbst ermittelt haben. 

Die Staatsanwaltschaft antwortet, in dem sie alle sorgfältig ausgeführte Kritik versucht abzuwimmeln. Sie werden die Anklageschrift unverändert aufrechterhalten und begründen die Zusammenarbeit mit deutschen Ermittlungsbehörden mit dem in Deutschland parallel geführten Verfahren. Sie behaupten die Ermittlungsarbeit und Aufklärung der Geschehnisse in Budapest habe alleinig in Ungarn stattgefunden. Auf der Grundlage eines Rechtshilfeersuchens seitens Deutschlands zur Unterstützung für das Parallelverfahren (Spiegelverfahren) wurden dann die Akten  weitergegeben. Genauso wie das Videomaterial, was satte 1,5 Terrabyte umfasst, welche ebenfalls an die deutschen Cops weitergegeben wurde. Die Staatsanwaltschaft stellt einen Antrag, dass sämtliche während der Ermittlungen entstandenen Ergebnisse und Materialien, sowohl von ungarischen als auch von deutschen Behören, verwendet werden dürfen.  

Es liegen also von Verteidigung und Staatsanwaltschaft entgegenstehende Anträge hinsichtlich der Verwendung von deutschen Ermittlungskenntnissen vor. Das Landgericht hat darüber noch zu entscheiden. 

Antrag auf mildere Haftmaßnahmen:

Nachdem wir ja auch schon in Majas Statement von den schrecklichen Haftbedingungen gehört haben, stellt Majas Anwalt nun einen Antrag zur Aufhebung der angeordneten Haft oder einer milderen Zwangsmaßnahme. Er skizziert 2 Optionen: Entweder die Anordnung einer europäischen Strafaufsicht (gemeint ist hier wahrscheinlich, dass Maja zurück nach Deutschland kann unter Meldeauflagen) mit einer Kaution von 30 Mio. HUF (ca. 75.000 Euro). Oder die Anordnung einer milderen Zwangsmaßnahme, in Form von Hausarrest und dem Erscheinen zu den Verfahrensverhandlungen, mit einer festgesetzten Kaution von 15 Mio. HUF (ca. 37.000 Euro). Außerdem betont Bajáky das Majas Haft die möglichst kürzeste Zeit in Anspruch nehmen soll. Dafür spreche, dass Maja bishher keine Vorbestrafungen hat, jung ist, einen Wohnsitz und Ausbildungsmöglichkeit in Deutschland hat. 

Wir wollen an der Stelle kritisieren, auch wenn wir die Anträge natürlich sehr gut und mehr als angebracht finden, dass Majas Anwalt die Adresse der für einen möglichen Hausarrest zur Verfügung stehenden Mietwohnung in Budapest laut vorlas. Und das unter Anwesenheit von Presse und womöglich auch Faschos. Von Ilarias Fall wissen wir, dass bereits wenige Stunden nachdem damals auch ihre Adresse vor Gericht vorgetragen wurde, Drohungen auf rechten Plattformen kursierten. Wir hatten gedacht aus diesem Fehler wurde gelernt. 

Weitergehend erläutert Majas Verteidiger, dass Maja keine leitende Rolle innegehabt haben soll und der Organisationsgrad der kriminellen Vereinigung nicht so hoch sei, wie von der Staatsanwaltschaft beschrieben. Maja wurde zudem über den Haftbefehl nicht  informiert. Aus diesen Gründen ist die Stränge der Maßnahmen nicht begründet und keine Fluchtgefahr gegeben. Durch die Aufhebung der strengen Maßnahmen könnte Maja dem Studium nachgehen und Freund*innen und Familie wieder richtig sehen. Bei Ilaria wurde der Hausarrest nach dem zweiten Verhandlungstag auch ermöglicht. 

Antwort der Staatsanwaltschaft und des Richters zu den Haftumständen:

Maja würde per Anklage in Ungarn vor Gericht stehen, weil die Straftaten gegen ungarische Staatsbürger*innen begangen wurden und dadurch das Sicherheitsgefühl der hier Lebenden angeblich verletzt wurde. Maja habe in der Prozesserklärung selbst gesagt, dass Maja für ein friedliches Morgen kämpft – die Teilnehmer*innen am Tag der Ehre würden dies ebenfalls tun. Die Justiz vertritt die Interessen ihrer Staatsbürger*innen und somit auch die der Teilnehmenden am Tag der Ehre.

Diese Begründung sorgt für Fassungslosigkeit unter den Zuschauenden und grenzt an völlige Lächerlichkeit! Die ungarische Staatsanwaltschaft verharmlost in einem Zug nicht nur alle geschichtsrevisionistische, faschistische Propaganda die zum Tag der Ehre von tausenden europäischen Neonazis kundgetan wird, stellt deren Kampf zudem noch als friedvoll und wohlwollend dar, und darüber hinaus Nazis auch noch als schützenswerten Teil der Gesellschaft, deren Interessen sie vertreten wollen.

Die StA fährt weiter fort: Laut deutschem Beschluss sei das ungarische Gericht zuständig, sie wissen zwar von der Verfassungsbeschwerde, jedoch gibt es keine Informationen darüber, dass sie den Prozess nicht weiter führen sollen. Laut Maja soll deutsches Recht angewendet werden, aber dann hätte Maja ja in Deutschland und nicht im Ausland Nazis angreifen sollen.

Die Staatsanwaltschaft beantragt die Aufrechterhaltung der Zwangsmaßnahmen wegen des hohen Organisationsgrades, der Konspiration und Art der Taten der vermeintlichen Vereinigung. Die Haft sei weiterhin begründet, da Gefahr für Flucht gegeben sei. Außerdem behaupten sie die Kaution würde aufgrund der großen solidarischen Unterstützung, auch in Form von Geld, keine Hürde und keine Bestrafung darstellen. Der Antrag von Majas Verteidigung einer Abänderung der Haftmaßnahmen solle abgewiesen werden. 

Majas Anwalt hält seine Anträge weiterhin aufrecht und ergänzt, dass das Fahren zu einem Konzert nach Berlin, keine Flucht darstelle. 

Der vorsitzende Richter weist den Antrag auf Milderung der Zwangsmaßnahmen und Aufhebung der Haft zurück, begründet mit einer angeblichen Gefahr von Flucht und Untertauchen, da Maja bereits seit März 2023 Kenntniss über die behördliche Verfolgung besitzen würde. Alleinig die Tatsache, dass ein Europäischer Haftbefehl beantragt werden musste, würde die Annahmen bestätigen. Zudem bestehe Gefahr der Tatwiederholung. Eine Kaution komme nur in Frage, wenn die Haft nicht weiter begründet ist.

Die Verteidigung legt dagegen Berufung ein – damit endet der heutige Verhandlungstag.

Die nächste Verhandlung findet bereits am Donnerstag den 06.03. um 09 Uhr statt. 

Ehe Maja abgeführt wird, erfolgt ein erneuter Applaus aus dem Publikum und Angehörige in der ersten Reihe stehen auf, ziehen ihre Pullover aus und enthüllen somit Tshirts, welche den Schriftzug „Free Maja“ offenlegen. Es wird laut gerufen, geklatscht und sich mit kraftgebenden Blicken verabschiedet – bis sich dann die Traurigkeit ausbreitet als Maja hinter der großen Tür verschwindet. 

Kurzzusammenfassung:

Dieser erste Verhandlungstag hat nochmal eindeutig den politisch motivierten Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft gezeigt, welche zudem kein Problem damit zu haben scheint offenkundig zu sagen, sie würden sich für die Interesse der Nazis, hätten diese ja auch nur eine friedvolle Zukunft vor Augen, einsetzen. 

So findet auch auf Seiten des Richters eine Vorverurteilung statt, was sich mit der teilweise wörtlich übernommenen Argumentation der StA aufzeigen lässt. Maja soll als höchst gefährliche Person inszeniert werden, um die unfassbar hoch geforderten Strafen zu rechtfertigen. 

Wir haben tiefen Respekt vor Maja, wie Maja es schafft in so einer Situation und vor dem Hintergrund unwürdigster Haftbedingungen, solche kraftgebenden, kämpferischen Worte zu finden. Auch wenn wir mit einem Gefühl von Traurigkeit und Wut nachhause fahren, in dem Wissen Maja jetzt dort zu lassen, in diesem schrecklichen Knast, so behalten wir uns das unfassbar kämpferische und starke was Maja ausstrahlte im Kopf und im Herzen.

Wir hoffen du konntest auch etwas Kraft mitnehmen Maja.

Free Maja!