Wir veröffentlichten hier ein Statement der Solikreise aus Hamburg, Frankfurt und Stuttgart zum heutigen Urteil im Antifa-Ost-Verfahren.
Seit fast 2 Jahren läuft das „Antifa-Ost“ Verfahren gegen Lina und drei weitere Antifaschisten aufgrund verschiedener, militanter Angriffe auf Nazis in Ostdeutschland. Vorgeworfen wird ihnen im Zuge dessen auch die „Bildung einer kriminellen“ Vereinigung nach dem Schnüffelparaghrapen §129.
Aktuell scheint es so, als würde heute, am 31. Mai das Urteil im sog. „Antifa-Ost“ – Verfahren gegen Lina und drei weitere Genossen gesprochen. Der Vorsitzende Richter im Prozess vor dem Landgericht Dresden ist zurückhaltend und gibt sich Mühe, unparteiisch zu wirken und nicht angreifbar zu sein. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch das Gericht als Institution dieses Staates ein Interesse an der Verfolgung (militanter) Antifas hat und kein Interesse an einer starken, geeinten antifaschistischen Bewegung hat.
Entsprechend sollten wir davon ausgehen, dass ein Urteil sich an den Forderungen der Generalstaatsanwaltschaft orientieren wird und auch das §129-Konstrukt verurteilt werden wird.
Der Verfolgungseifer der Generalbundesanwaltschaft, der sich durch das gesamte Verfahren gezogen hat – so wurde beispielhaft wissentlich ein Alibi eines Angeklagten unterschlagen – zeigte sich in ihren Strafforderungen und der dazugehörigen Begründung erneut: so forderte sie in Summe 17 Jahre und 9 Monate Knast für die vier Angeklagten und phantasierte in ihrer Begründung über linken Terrorismus.
Diese Erzählung wird von den Repressionsbehörden bewusst verbreitet – auch im Versuch, die Solidarität mit den Angeklagten und militantem Antifaschismus im Allgemeinen zu spalten. Durch Polizeischutz für die Richter und die Vertreter:innen der Generalstaatsanwaltschaft soll dieses Bild zusätzlich verstärkt werden.
Insbesondere im Nachgang des sog. „Tag der Ehre“ in Budapest und der Verfolgung mehrerer Antifaschist:innen steigerte sich das ganze noch weiter. Unterschiedliche Zeitungen beteiligten sich an der Veröffentlichung von Fahndungsbildern der gesuchten Antifaschist:innen und drucken gezielt aus den Repressionsbehörden durchgestochene „Hintergrundinformationen“ ab.
Mit all diesen Maßnahmen wird versucht, die Solidarität mit den Beschuldigten moralisch zu entwaffnen, in der Gesellschaft zu isolieren und perspektivisch auch über die Verurteilung im §129-Konstrukt die Solidarität zu kriminalisieren. Schon immer hatten die Paragraphen §§129 auch zum Ziel, die Solidarität zu behindern, da diese in Gefahr ist, als vermeintliche Unterstützung der „kriminellen Vereinigung“ gewertet zu werden.
Deshalb gilt es bei unserer Solidarität keine Kompromisse zu machen. Grundlage hierfür können für eine antifaschistische Bewegung nur eigene Kriterien und Maßstäbe an ihre Aktionen und Zielsetzung sein und nicht das, was der Staat gerade als legitim ansieht oder nicht, was er gerade entscheidet, zu kriminalisieren oder nicht.
Die Notwendigkeit der Bekämpfung des Faschismus ergibt sich unmittelbar aus dessen Gefahr für alle jene, die nicht in ihr Weltbild passen und abstrakt aus seiner gesellschaftlichen Funktion: Spaltung zu vertiefen, mit chauvinistischen Parolen von eigentlichen Ursachen sozialer Probleme und Krisen abzulenken und damit klassenkämpferische Positionen zu bekämpfen. So diente der Faschismus historisch immer wieder zur Herrschaftssicherung des Kapitalismus und als Reaktion auf starke revolutionäre Bewegungen.
Die Notwendigkeit der Bekämpfung des Faschismus ist entsprechend offensichtlich und die Ebenen so vielschichtig, wie die Gefahr die von ihm ausgeht: auf der Straße in der direkten Konfrontation und dem Zurückdrängen faschistischer Gefahr, in der Bildungs- und Gedenkarbeit zur Schaffung eines antifaschistischen Bewusstseins, in Bündnissen zur Verbreiterung der Front gegen den Faschismus etc.
Diese verschiedenen Ebenen können jeweils alleine nicht erfolgreich sein und müssen sich gegenseitig bedingen und solidarisch ineinandergreifen.
Dabei dürfen wir eine Sache nicht aus den Augen verlieren: der Faschismus lässt sich friedlich nicht besiegen. Er ist seinem Charakter nach gewalttätig und tödlich.
Hierüber können auch all die Vergleiche im Sinne der Hufeisentheorie, all die Verharmlosung rechter Gewalt oder die scheinbare Blindheit ihr gegenüber nicht hinwegtäuschen.
Entsprechend notwendig ist ein militanter Antifaschismus der sich dem entschlossen entgegenstellt und neben anderen Praxisformen auch dazu bereit ist, auf die faschistische Gewalt mit Gegengewalt zu antworten.
Gleichzeitig dürfen wir uns in der Argumentation nicht darauf beschränken, dass die Faschist:innen immer noch gewalttätiger immer noch „schlimmer“ sind als wir. Aktuell sind sie das und natürlich ist es als antifaschistische Bewegung wichtig, diese Gewalt nicht einfach zu kopieren und ihre eigene Anwendung immer zu reflektieren.
Aber alleine mit so einer Argumentation bleiben wir auf einer moralischen Ebene stehen und lassen uns in Situationen wie jetzt, wo Gewalt gegen Faschist:innen kriminalisiert wird und gesellschaftlich zur Debatte steht, argumentativ entkräften:
Wir sind nicht die „Besseren“, weil die Faschist:innen noch „schlimmer“ sind und wir sind auch nicht zwingend die „Besseren“ weil wir weniger gewaltvoll sind. Sicher kann es auch Situationen geben, in denen es notwendig ist auch gewaltvoll gegen Faschisten vorzugehen: Oder sollen wir etwa nur daneben stehen und zuschauen, während Faschist:innen Geflüchtetenunterkünfte anzünden oder sich bewaffnen und planen, politische Gegner umzubringen?
Letzteres wird den Faschisten von „Knockout 51“ um Leon Ringl vorgeworfen. Diese sollen von den Angeklagten im Antifa-Ost Verfahren angegriffen worden sein.
Die Legitimation militanten Antifaschismus liegt darin, dass er sich eben gegen Unterdrückung und eine in letzter Konsequenz tödliche Gewalt für viele Menschen richtet, dass er sich dabei gezielt gegen Faschist:innen richtet, die diese Gewalt und Unterdrückung ausrichtet und eben nicht beliebig gegen Menschen, denen aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft, ihres Geschlechtes oder ihrer Sexualität ein Existenzrecht abgesprochen wird. Seine Legitimation liegt damit im Schutz unterdrückter Bevölkerungsschichten und fortschrittlicher Politik.
Wir bleiben also nach wie vor ungebrochen solidarisch mit den Angeklagten und weiteren Beschuldigten im Antifa-Ost Verfahren, daran wird kein Schuldspruch des Gerichtes etwas ändern – egal wie das Urteil sein wird.
Kommt am Tag der Urteilsverkündung nach Dresden und unterstützt die Angeklagten, sowie am folgenden Samstag zur TagX Mobilisierung nach Leipzig. Werdet vor Ort aktiv und lasst eure Solidarität praktisch werden.
Militanter Antifaschismus bleibt Notwendig!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
gezeichnet:
129a-Solikreis Frankfurt, Roter Aufbau Hamburg & Solidaritätskampagne “Antifa bleibt notwendig”
Hamburg: In Hamburg wird gegen einige vermeintliche Mitglieder des Roten Aufbaus ein §129a-Verfahren geführt und gegen die Gruppe und alle, die sie irgendwie dazurechnen ein §129-Verfahren. Dies gipfelte am 31.08.20 in einem großangelegten Repressionsschlag gegen 22 Beschuldigte mit 28 Hausdurchsuchungen und einer Medienkampagne. Dem waren monatelange Ermittlungen mit jeglichen Befugnissen vorangegangen. Verschiedene Akteure fordern ein Verbot, weil der Rote Aufbau unter anderem die Infrastruktur für die militanten G20-Proteste gestellt haben soll. Seit dem gab es vereinzelt erneute Hausdurchsuchungen, Anquatsch- und Einschüchterungsversuche wie Stress auf der Arbeit , Hausbesuche etc.
Mehr Infos: https://roter-aufbau.de
Frankfurt am Main: Nach einem Angriff auf eine Außenstelle des Bundesgerichtshof in Leipzig am 1. Januar 2019 werden Ermittlungen nach §129a eingeleitet. Eine Hausdurchsuchung in Frankfurt folgt 1 1/2 Jahre später.
Mehr Infos: https://www.129a.info
Stuttgart: Eine Auseinandersetzung mit Nazis des rechten Betriebsprojekt “Zentrum Automobil” am Rande einer Querdenken- Demonstration ist Auslöser für eine Welle der Repression in Baden-Württemberg. Insgesamt werden 11 Wohnungen durchsucht und die Antifaschisten Jo und Dy inhaftiert. Im September 2021 werden Jo und Dy in einem Indizienprozess zu 4,5 und 5,5 Jahren Haft verurteilt. Die Revision dagegen sowie weitere Verfahren gegen die anderen Betroffenen stehen noch aus.
Mehr Infos: https://notwendig.org